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Unholde, Elfen, Geister und Trolle
#9
Island ist doch ein unsicheres Pflaster. Nach Einbruch der Dunkelheit muss man darauf achten, dass einen der Nachttroll nicht erwischt. Ständig muss man aufpassen den Elfen nicht zu nahe zu treten – die rächen sich gerne fürchterlich. Und egal in welche Ecke man sich verzieht, überall lauern Geister und Gespenster. Nachdem wir ja schon Móri aus Selfoss kennen, schauen wir jetzt mal was der Norden noch so alles zu bieten hat. Wer schwache Nerven hat, hält sich jetzt bitte Augen und Ohren zu.
Wenn man auf der Hörgárbraut aus Akureyri Richtung Westen rausfährt, verläuft die Strecke eine ganze Weile malerisch durch das Tal der Hörgá am Fluss entlang. Kurz bevor die Flüsse Bægisá und Öxnadalsá in die Hörgá einmünden kann man die Ringstraße verlassen und ins Hörgádal abbiegen. Einer der Höfe dort ist der Hof Myrká und dort lebte einst
der Diakon zu Myrká.
 
[Bild: 37106126zb.jpg]
 
Der hatte ein Auge auf die schöne Guðrún geworfen. Die wiederrum lebte und arbeitete auf dem Hof Bægisá, auf der anderen Seite der Hörgá. Eines Winters, kurz vor Weihnachten, ritt der Diakon über den Fluss zum Hof Bægisá um Guðrún für den Heiligen Abend zu sich nach Myrká einzuladen. Guðrún freute das sehr und sie verabredeten, dass er sie an dem Abend abholen würde. Auf dem Rückweg aber, brach die Schneebrücke über die der Diakon gekommen war unter ihm und seinem Pferd Faxi ein. Er stürzte in den von Eisschollen bedeckten Fluss. Am nächsten Morgen sah ein Bauer eines Nachbarhofs ein Pferd am Ufer stehen und erkannte, dass es Faxi war. Als er nach dem Tier schauen wollte entdeckte er dann am Ufer den toten Diakon. Offensichtlich hatte er sich beim Sturz, oder später durch eine Eisscholle, einen Schädelbruch zugezogen. Der Diakon wurde als bald auf Myrká beigesetzt. Da das Wetter so schlecht war, es taute und die Flüsse schwollen an, konnte die Nachricht vom Tod des Diakons Guðrún auf Bægisá vor Weihnachten nicht erreichen, und so machte diese sich Heilig Abend zur verabredeten Zeit fertig. Sie ließ sich grade die Haare zurecht machen, als es klopfte. Das andere Mädchen ging zur Tür, konnte aber niemanden sehen. Guðrún glaubte an einen Scherz des Diakons und beeilte sich vor die Tür zu kommen. In der Eile zog sie aber ihren Mantel nicht richtig an, sondern warf ihn sich nur über. Vor der Tür sah sie dann Faxi und die Gestalt, die im dunklen daneben stand, konnte ja nur der Diakon sein. Allerdings war er mit seinem breitkrempigen Hut und dem dicken Schal kaum zu erkennen.

[Bild: Dj%C3%A1kninn_%C3%A1_Myrk%C3%A1.jpg]
Théodore‬ Meyer-Heine [Public domain]. Wikimedia, Creative Commons.
 
Guðrún stieg also hinter dem Diakon aufs Pferd und der Ritt durch die mondhelle Nacht ging los. Auf dem Weg über die Hörgá aber, blies der Wind den Schal des Diakons nach oben, und Guðrún sah das riesige Loch im Schädel des Reiters. Wie sie so durch den Mondschein ritten sagte der Diakon „Der Mond geleitet, der Tod reitet. Siehst du keinen weißen Fleck auf meinem Hinterkopf, Garún, Garún?“ Sie antwortete: „Ich sehe es so, wie es ist.“ Die beiden sprechen erst wieder miteinander, als sie in Myrká angekommen sind und der Diakon vom Pferd steigt. Da sagt er „Warte Garún, Garún, während ich Faxi, Faxi, in das Gatter, Gatter, bringe.“
Da wird Guðrún eines offenen Grabes auf dem Friedhof gewahr und will grade die Friedhofsglocke läuten um Hilfe herbei zu holen, als der Diakon versuchte sie von hinten zu packen und mit sich in sein kaltes Grab zu reißen. Gott sei Dank erwischte er sie nur am Mantel, und da sie den ja nicht richtig übergezogen hatte, fiel der Diakon in inniger Umarmung mit ihrem Mantel anstatt mit ihr ins Grab und das Grab schloss sich wie von Geisterhand. Als ob dieser ganze Horror nicht reichen würde, verfolgte der Geist des Diakons die arme Guðrún des Nachts auch in den kommenden Wochen so sehr, dass selbst ihre Mitbewohner auf Bægisá keinen Schlaf mehr finden konnten. Es blieb also nichts weiter übrig als sich einem zauberkundigen Geistlichen aus dem Skagafjörður anzuvertrauen, der sich dann mit einem feinen kleinen Exorzismus des unruhigen Geistes angenommen hat. Mit mächtigen Zaubersprüchen bannte er den Wiedergänger in die Erde und lies einen großen Felsbrocken über die Stelle rollen. Danach war Ruhe im Hörgádal. Die arme Guðrún aber hat sich Zeitlebens von diesem schockierenden Ereignis nicht mehr erholen können.
 

 
Die Geschichte wurde von Konrad Maurer nach mündlicher Erzählung aufgeschrieben und in Deutschland publiziert bevor sie 1862 zum ersten Mal auf Isländisch (in Jón Árnasons Isländische Volkssagen und Abenteuern) erschien.
 


[Bild: 39758849gu.jpeg]
(Das Hörgárdalur - Blick rüber zur Ringstraße.)

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(Der Hof Myrká - achtet auf das Schild.)

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[Bild: 39758852iy.jpeg]



  islandwinke
Und wer von euch sich jetzt noch fragt, warum der Geist Guðrúns Namen falsch ausgesprochen hat; das liegt daran, dass Geister und andre Wesen aus der Zwischenwelt Gottes Namen nicht aussprechen. Und das Guð in Guðrún bedeutet Gott.
Der Felsbrocken unter dem der Diakon seine letzte Ruhestätte gefunden hat liegt bis heute noch an derselben Stelle. Manchmal, in der Nacht vor Allerheiligen aber, wenn die Geister die Menschen besuchen, soll ein dunkles Grollen vom Stein zu hören sein. Und so mancher, der in so einer Nacht dort in der Nähe war, schwört Stein und Bein gesehen zu haben, dass der Felsbrocken sich bewegt.
 
In diesem Sinne - Gottes Segen, und lasst euch ‪heute Nacht‬ nicht von Gestalten chauffieren, die ihr nicht kennt.
 
Happy Hallóvín
Glukáf, Helge
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RE: Unholde, Elfen, Geister und Trolle - von Furtenschisser - 31.10.2019, 14:31

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